Peter Pleitz
ehemaliger Schüler (im Internat) an der Schule von 1977 bis 1992
“Wenn ich an diese Schule denke, sehe ich sie immer nur, wenn die Sonne scheint” – Peter Pleitz
Nicht viele Schüler haben eine so starke Verbindung zu dieser Schule wie Peter Pleitz. An dem Tag, an dem er an seinem ersten Schultag seine Schultüte bekam, entstand der erste Strang der lebenslangen Verbundenheit. Im Laufe der 15 Jahre, die er diese Schule besuchte, und die fast 10 Jahre, die er im Internat der Schule lebte, wuchs die Verbindung immer stärker, bis irgendwann alle Bindungen durchtrennt werden mussten in dem Moment, als er den Zettel bekam, auf dem ihm mitgeteilt wurde, dass er endlich mit der Schule durch ist. Das dachte er jedenfalls. Nachdem er es als Motorradmechaniker geschafft und im Ausland gearbeitet hatte, zog ihn die Bindung, die er als Kind zu dieser Schule geknüpft hatte, schließlich zurück nach Kenia, wo seine Tochter heute die Schule besucht.
Diese Geschichte beginnt während der Entstehung der Berliner Mauer, als ein junger Mann aus Thüringen die mutige Entscheidung trifft, Ostdeutschland zu verlassen und nach Westdeutschland zu fliehen, wo er eine Ausbildung als Maschinenbauingenieur absolvierte. Schließlich zog er nach Deutsch Südwestafrika, dem heutigen Namibia, wo sich Mitglieder seiner Familie vor Jahren angesiedelt hatten. Er blieb in Afrika und lernte seine Frau aus Kenia kennen. Sie hatten ein Kind, einen abenteuerlustigen kleinen Jungen namens Peter.
Im Alter von nur drei Jahren wurde die glückliche Familie auseinandergerissen, als seine Mutter an Bilharziose erkrankte. Sie fiel in ein tiefes, depressives Loch und starb bald darauf, wahrscheinlich nicht allein wegen des Parasiten, sondern wegen ihres Gemütszustands.
Seine Beziehung zu der Schule entstand, als er den Kindergarten der DSN besuchte. Was man heute nicht vermuten würde, kam Peter als schüchterner und zurückhaltender Junge in diese Schule. Er kam 1977 in den Kindergarten, der damals wenige Kinder hatte. Damals war Peter eines der wenigen Kinder mit einem kenianischen Elternteil. Sein Vater war nicht in der Lage, für ihn zu sorgen, also lebte er bei anderen Familien.
Für die meisten Kinder ist der Gedanke, ins Internat zu gehen das Schlimmste, was sie sich vorstellen können, und fast schon eine Art Bestrafung. Aber wie wir heute wissen, ist die deutsche Schule keine gewöhnliche Schule. 1969 wurde die deutsche Schule eröffnet, aber nicht an dem Ort, den wir heute alle kennen, sondern in einem kleinen Haus in der Laikipia Road. Als das für die ständig wachsende Schulgemeinschaft zu eng wurde, zog die Schule an ihren jetzigen Standort um, und das Haus in der Laikipia Road wurde für fast ein Jahrzehnt sowohl Internat, als auch Peters Zuhause. Im Alter von elf Jahren, 1982, wurde er dort untergebracht, und nachdem er die meiste Zeit seines Lebens bei anderen Familien gelebt hatte und umhergezogen war, wurde das Internat zu seiner Familie und seinem Stützpunkt und zu einem friedlichen Ort, an dem er lebenslange Freunde fand.
Während seiner Teenagerzeit war er ein typischer Junge: beliebt, sportlich und nicht besonders auf die Schule konzentriert. Er mochte die Schule nie wirklich und bekam nie wirklich gute Noten, und schließlich wurde ihm in Klasse 8 gesagt, dass er ein Jahr wiederholen müsse. Das war ein echter Schock, aber anstatt betrübt darüber zu sein, beschloss er, daraus zu lernen und sich ernsthaft auf die Schule zu konzentrieren. Für die meisten Schüler ist eine Klasse wiederholen zu müssen der größte Alptraum, aber für Peter war es Glück im Unglück. Es war die perfekte Klasse. Seine neuen Freunde waren fantastisch und zum ersten Mal liebte er es, in die Schule zu gehen. Gemeinsam mit seinem besten Freund, der ebenfalls mit ihm im Internat lebte, gelang es ihm die Hürden seines am meisten gehassten Faches, Mathematik, zu überwinden. Das veränderte alles. Er hatte eine Klasse voller wunderbarer Menschen, mit denen er unvergessliche Erlebnisse hatte und die ihn zum Abitur und darüber hinaus brachten.
Sie machten verrückte und dumme Dinge zusammen in einer Schule, die ganz anders aussah als die heutige. Anstatt ihre Pausen am Handy zu verbringen, gab es andere Optionen. Die Cafeteria war nur ein kleines Kämmerchen. Da war die Frau mit dem größten Lächeln in der Schule, Sylvia (die heute noch an der Schule ist), die einen kleinen Kiosk geführt hat. Es gab nur die gesündesten Snacks: Doughnuts, Samosas, Chips und Soft Drinks. Es gab fast jede Pause eine Schlägerei, weil jeder natürlich als erster seinen Snack bekommen wollte.
Wenn man heutzutage unsere Schule besucht und die Umgebung betrachtet, würde man nie denken, dass man nur ein paar Jahre zuvor dort mitten in einem riesigen Kaffeefeld gestanden hätte. Diese Kaffeefelder dienten nicht nur zur Kaffeeproduktion, sondern auch als Sportplatz der Deutschen Schule. Die Schüler wurden bei jedem Wetter in die scheinbar unendlichen Felder für das Langlauftraining gejagt (wobei sie in den Wettbewerben gegen die kenianischen Mannschaften keine Chance hatten)
Natürlich gibt es aus der Schulzeit ein paar verrückte Geschichten, wie zum Beispiel als Peter im letzten Schuljahr mit seinen zwei besten Freunden (sie haben sich die drei “Muskeltiere” genannt) Motorradausflüge machte. Sie hatten alle drei dieselben großen Motorräder. Dann kam die kluge Idee in den Herbstferien mit den Motorrädern an die Grenze nach Äthiopien zu fahren. Zehn Tage unterwegs, kein Handy, kein GPS. Sie haben es “the old-fashioned way” gemacht; eine Karte und ein Kompass. Was dann passierte, kann man sich schon vorstellen… Die drei Muskeltiere haben sich ein bisschen verrechnet und haben keine Ahnung, wie sie ihren Weg zurückfinden. Inzwischen hatte die Schule wieder angefangen und keiner wusste, wo sie waren. Endlich haben sie den Weg zurück nach Nairobi gefunden und sind angekommen zwei Tage zu spät. (Er hat auch unterwegs einen versteinerten Fisch gefunden und ihn der Bio Abteilung der DSN geschenkt).
Ein paar wilde Partys, ein paar lange Arbeiten und ein Zertifikat später war seine Zeit in der Schule schon zu Ende gekommen. Uhh, und jetzt? Heutzutage fliegt man nach Deutschland, kann alles im Internet recherchieren und bekommt hunderte von Broschüren von Herrn Klare. Nach Peters Abi sah die Studienberatung etwas anders aus. Man bekam ein Heft und vielleicht auch ein paar Worte von Alumni und das war es.
Vater: “Was willst du eigentlich studieren?”
Peter: Hmm… Was mag ich den? Motorräder (Ich hab sogar eins!). “Gibt es so etwas wie eine Ausbildung für Motorradmechaniker oder so?”
Vater: “Ja, gibt’s“
Und schon war die Entscheidung getroffen.
Er verließ Kenia und machte sich auf den Weg nach Deutschland, wo seine Ausbildung als Mechaniker bei Yamaha auf ihn wartete. Nach seiner Ausbildung entschied er sich für ein Studium in Hannover in Maschinenbau. Er merkte bald, dass dies nicht das war, was er erwartet hatte, und wurde stattdessen ein Meister. Er lernte seine Frau, die zufällig auch in Kenia geboren ist und die französische Schule besucht hat, kennen. Mit ziemlich viel Erfahrung in allem, was mit Motorrädern zu tun hatte, verließen sie Deutschland für das Land des kalten Wetters, des Eishockeys und des Ahornsirups, Kanada. Zwei Jahre später wurde seine süße Tochter Tara geboren.
Irgendwann war die Kälte nicht mehr auszuhalten und sie mussten wieder näher zum Äquator… oder seine Frau hatte einfach ein Jobangebot in Kenia bekommen. Nach fast zwanzig Jahren führte ihn sein Weg zurück nach Kenia. Er machte sich selbstständig und eröffnete seine eigene Motorradwerkstatt. Es kann sehr schwer sein zu entscheiden, welche Schule sein Kind besuchen soll, aber in diesem Fall war es klar, dass seine Tochter auf die Deutsche Schule Nairobi gehen würde. Ein riesiges Einkaufszentrum hat vielleicht die Kaffeefelder ersetzt und es gibt vielleicht ein paar mehr Computer, aber sie hat immer noch den gleichen Charme und das gleiche starke Gemeinschaftsgefühl, das einzigartig für diese Schule ist. “Da habe ich nur gedacht, besser geht’s nicht.”